„Give peas a Chance“

Erhalterseminar "Give Peas a Chance"

Bericht über das Erhalterseminar des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) und der Transition Town-Initiative " Vermehrungsgarten Hannover" am 15. und 16. Mai 2015 in Hannover

Das Ergebnis kurz vorweg, die Erbse ist sehr vielfältig und interessant und bekommt auch durch Patenschaften beim VEN eine Chance für eine Ansiedlung oder Rückkehr in zahlreiche  Gärten Deutschlands.

Am 15. und 16. Mai trafen sich 14 Interessierte im Schulbiologiezentrum Hannover um mehr zu erfahren über die Vielfalt und den Erhalt von Erbsen im Haus- und Kleingarten.
Gekommen warten Paten und PatenschaftsbetreuerInnen des VEN, VEN-Mitglieder und am Thema interessierte Haus-, Klein- und GemeinschaftsgärtnerInnen aus der Region Hannover, sowie aus Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Die meisten gaben in der Anfangsrunde an, schon mal Erbsen angebaut und  auch vermehrt  zu haben, für einige war die Kultur von Erbsen aber auch neu. Alle hatten Lust darauf, Neues zu erfahren.

Erbsen in Patenschaften

Der VEN vergibt seit einigen Jahren  Erbsen in Patenschaft. Als Selbstbefruchter können auch Haus- und Kleingärtner mit wenig Platz und Vorerfahrung bei der Vermehrung erfolgreich sein. Vergeben werden zum Einen samenfeste Sorten, die in der Zeit vor 1945 in Deutschland gezüchtet wurden. Der Grund für diese Auswahl ist, erst nach dem Krieg endete die Züchtung für den Hausgarten, solche Sorten erlauben eine Ernte, die sich auf mehrere Wochen erstreckt. Ab 1950 legte die Züchtung auf Sorten für den industriellen Anbau und die maschinelle Ernte Wert. Sie sind daher für Hausgärtner nicht so interessant. Zum Anderen  werden Sorten an Paten gegeben, die dem VEN von Privatleuten überreicht werden und die bisher als Familiensorte gehütet wurden. Auf diese Sorten legen wir unser besonderes Augenmerk.

Wichtige Aufgabe  von Paten und ErhalterInnen ist die Erhebung von Daten zur Kultur und Beschreibung der Sorten. Ziel ist die Erstellung von  Sortenbeschreibungen; die für den Anbau und die Weitergabe der Sorten von Bedeutung sind. Dabei sind auch standortbezogene Daten wichtig. Die von der Patentschafts-AG des VEN entwickelten  Beobachtungsbögen bilden die Grundlage für   Sortenbeschreibungen. Da die meisten Paten gärtnerische Laien sind, wird Ihnen von den PatenbetreuerInnen Hilfe gewährt. Umfassende Kenntnisse erlangt man aber in den Erhalterseminaren des VEN.

Seit letztem Jahr werden Patenschaften  im Rahmen eines Einstiegsseminars vergeben, in dem die Vorstellung der Arbeit mit diesen Beobachtungsbögen ein wesentlicher Bestandteil ist. Auch für den Eintrag in die Saatgutliste des Vereins ist eine detaillierte Beschreibung der Sorte notwendig.

Experten für die Beschreibungen von Kulturpflanzen sind die MitarbeiterInnen des Bundessortenamtes (BSA). Diese führen im Rahmen einer Sortenzulassung und der Kontrolle währendes der Zulassungszeitraumes die Semantikbeschreibungen für Sortenprüfungen durch.
Für das Seminar konnten wir die Mitarbeiterin des Bundessortenamtes, Frau Renate Baade-Morgenthal, als Referentin gewinnen. Sie hat in den letzten 14 Jahren die Sortenprüfungen für Erbsen in der Prüfstelle in Rethmar durchgeführt. Im Rahmen dieser Prüfungen wird mit einem artspezifischen Fragenkatalog gearbeitet, der vom Internationalen Verband zum Schutz für Pflanzenzüchtungen (UPOV) für die verschiedenen Kulturen entwickelt wurde.
Im letzten Jahr fand in Rethmar  der Anbau und die Beschreibung von alten, samenfesten Sorten im Rahmen eines Projektes zum On-farm-Erhalt  in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität Berlin und dem VERN statt.

Sortenzulassungen heute

Für die Zulassung einer  Sorte ist die Erhebung  aller festgelegten artspezifischen  Merkmale des UPOV-Liste wichtig. In mindestens einem Merkmal muss sich die Sorte von anderen unterscheiden, in allen Merkmalen muss die Sorte homogen sein und alle Merkmale müssen beständig  sein.
Für die Neuzulassung und die Wiederzulassung einer Sorte erfolgen die  Prüfungen in zwei aufeinander folgenden Jahren.  Für die Anmeldung zur Prüfung sind verbindliche Termine festgelegt. Die Züchter geben mindestens 10.000 Korn mit einer Keimfähigkeit von mindestens 85 % an das BSA. Ein Teil des Saatgutes wird zur Überprüfung der Resistenz gegenüber verschiedenen Krankheiten an das Julius-Kühn-Institut gegeben, ein anderer Teil wird für den Anbau im zweiten Jahr und spätere Kontrollen eingeschweißt und bei 4 °C gelagert. Der Fragenkatalog nach UPOV umfasst für Erbsen 60 Merkmale, die jeweils genau definiert sind. Diese Vielfalt in den zu prüfenden Merkmalen ist wichtig, da die Unterscheidbarkeit mitunter  nur minimal sein kann.

In der Darlegung der der  Arbeit des BSA bei den Sortenprüfungen wird deutlich, wie umfangreich und gleichzeitig genau bei der Erfassung der verschiedenen Merkmale vorgegangen wird. Den Zeitpunkt der Erhebung der einzelnen Merkmale richtet sich nach der Entwicklung der jeweiligen Kulturen, so dass Prüfungen in der Saison teilweise auch am Wochenende stattfinden müssen, wenn z.B. 30 % der Pflanzen mindestens eine Blüte aufweisen.
Frau Baade-Morgenthal verdeutlichte an  Beispielen die Erfassung  einzelner Blütenteile. Die Blüten werden auseinander genommen, einzelne Teile werden aufgeklebt und können so auch später Nachweis sein für die Maße der Blütenbestandteile oder Ihrer Form, z.B. die der Spitze des oberen Kelchblattes. Zur Veranschaulichung des Blütenaufbaus   steht uns das Modell einer Schmetterlingsblüte - Erbsen gehören dieser Familie an -  des Schulbiologiezentrums zur Verfügung

Bei einigen Merkmalen  findet eine für uns unpräzise Einteilung statt, wenn z. B. Hülsenlänge mit kurz, mittellang oder lang eingruppiert wird. Im Beobachtungsbogen des VENs wird gemessen und es gibt Werte in Zentimetern. Für die PrüferInnen des BSA gibt es Referenzsorten, die ihnen als Maßstab dienen. Den ErhalterInnen und PatInnen des VEN sind diese Referenzsorten nicht bekannt und  laut Aussagen von Baade-Morgenthal auch nicht immer im Handel erhältlich, so dass es schwer ist, nach dem UPOV-Fragenkatalog zu arbeiten. Die Erhalterinnen und PatInnen vermehren in der Regel nur einige wenige Erbsensorten und vermessen daher Pflanzen, Hülsen, Samen laut Vorgaben des vom VEN konzipierten Beobachtungsbogens. Dies hilft, auch weiteren Paten oder ErhalterInnen, die Sorte besser einzuschätzen.
Verwundert sind wir, als wir erfahren, dass nur die äußerlichen Merkmale Gegenstand der Prüfung sind. Innere Qualitäten, wie Holzigkeit bei Radieschen oder der Geschmack wird seit Jahren nicht mehr geprüft. Die Beurteilung wertgebender Eigenschaften sieht der Gesetzgeber nicht mehr vor und die Züchter sind nicht bereit, dafür zu zahlen. Da wundert es nicht, wenn moderne Sorten sich durch perfektes Äußeres, aber nicht durch guten Geschmack auszeichnen.

Zu den Aufgaben der SortenpatInnen im VEN zählt auch,  herauszufinden, was sind besondere Qualitäten der Sorte, wie Geschmack, lange Beerntbarkeit und wie kann die Sorte für die Ernährung genutzt werden. Diese wertgebenden Eingenschaften müssen in den  Beobachtungsbögen noch ergänzt werden.

Von Frau Baade-Morgenthal erfuhren wir, dass Sortennamen nur einmal vergeben werden. Im EU-Sortenkatalog sind die synonym verwendeten, oft historisch verwendeten Namen anderer Länder in einer extra Spalte aufgeführt.

Um auch Saatgut alte, samenfester Sorten handeln zu können, gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit der Zulassung dieser Sorten als Erhaltersorte für die landwirtschaftliche Verwendung bzw. Amateursorte für Haus- und Kleingärtner. Für die Zulassung als Amateursorte  ist ein schriftlicher Antrag und ein technischer Fragebogen beim BSA einzureichen. Es findet kein Anbau und keine praktische Prüfung durch das BSA statt. Die Erstzulassung als Amateursorte kostet ca. 30 €, die jährlichen Folgekosten belaufen sich ebenfalls auf 30 €. wie auch bei regulären Handelssorten gilt eine Zulassung für jeweils 10 Jahre und kann anschließend verlängert werden. Zudem ist die Dokumentation der Saatgutabgabe nötig. Obwohl es sinnvoll gewesen wäre, wird dieser Punkt nicht weiter behandelt. Für viele TeilnehmerInnen ist dieses Thema zu neu. Es ist  deutlich geworden, diese Regelung ist teuer und erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand. Einige alte Sorten sind erneut als Handelssorten zugelassen,  z.B. die Möhrensorte 'Duwicker' von Dreschflegel. VEN-Mitglieder und Erhalter geben Saatgut von ihren Sorten weiter, weil es um die Verbreitung der Sorten und den Erhalt an mehreren unterschiedlichen Standorten geht.

Vermehrungsgarten Hannover

Der Vermehrungsgarten in Hannover befindet sich im Aufbau. Seit einem Jahr ist das VEN-Mitglied und Mitglied der Patenschafts-AG, Kornelia Stock, mit hannoverschen BürgerInnen dabei, aus der von der Stadt Hannover zur Verfügung gestellten Brache einen Schau- und Lerngarten zu schaffen, in dem alte, samenfeste Sorten angebaut und vermehrt werden.
Mit der Stadt Hannover gibt es, für zunächst drei Jahre, einen Kooperationsvertrag, der eine jährliche finanzielle Förderung beinhaltet, die für den Aufbau und Kauf von Gartengeräten genutzt wird. Unterstützt wurde der Aufbau des Gartens auch schon von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung, die im letzten Jahr für Werkzeuge, den Brunnen und Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit Mittel zur Verfügung gestellt hat. Getragen wird der Garten von einer bei Transition-Town-Hannover e.V. angesiedelten Initiative, die die Planung und Organisation begleitet. An der praktische Arbeit vor Ort beteiligen sich ehrenamtlich Tätige, die zu den regelmäßigen Mitmachterminen kommen. Hierzu gehören auch viele VEN-Mitglieder, die hier praktisch aktiv sind. Es gibt eine Internetseite www.vermehrungsgarten.de auf der über den Garten und die Aktivitäten informiert wird.

Für das Seminar wurden im Vermehrungsgarten verschiedene Erbsen ausgesät. Ein Informationsblatt informierte über die Auswahl und die Herkunft der Sorten.
Der Boden im Vermehrungsgarten ist schwerer Lehm, der in diesem Frühjahr lange kalt war. Um die Keimung zu vereinfachen, wurde Sand in die Aussaatrillen gegeben, der sich schneller erwärmt und die Keimung unterstützen sollte. Bis zum Seminar waren die im Frühjahr ausgesäten Sorten zwar gekeimt, aber noch nicht soweit, dass hier, wie geplant, Beschreibungsübungen durchgeführt werden konnten.
Nur die "Türkische Wintererbse", ausgesät Ende Oktober 2014, war in der Entwicklung schon so weit und zeigte erste Blüten, so dass hieran Einiges gezeigt werden konnte. So informiert ein kleiner roter Ring am Ansatz des Nebenblattes am Stängel darüber, diese Sorte blüht nicht weiß, sondern bunt.

Kornelia Stock stellte das Konzept und die Planung für den Vermehrungsgarten vor. Bei einem Rundgang wurde dieses an Beispielen verdeutlicht: Bei der Umwandlung vom Rasen, der Brache zum Garten wird viel mit Bodenabdeckung mit Pappe und Stroh gearbeitet, das erleichtert die Arbeit und fördert das Bodenleben. Von einem vorher hier stehenden und vor Jahren abgerissenen Gebäude, finden sich immer noch Steine im Boden, auch einen Sandkasten hat es früher gegeben. Diese Materialien werden recycelt und mit gespendeten Dachziegeln wurde daraus ein Beet für Pflanzen und Kräuter geschaffen, für die der schwere Lehm zu fett ist. Während im letzten Jahr nur ein Teil bepflanzt wurde, wird in diesem Jahr die Anbaufläche wachsen und der Anbau von weiteren Pflanzen ausprobiert. Von den Seminarteilnehmern wurde der zugrunde liegende Plan und das bisher Umgesetzte für interessant befunden. Auswärtige Teilnehmer, die im letzten Jahr schon mal zu Besuch waren, stellten fest, hier ist schon viel passiert.

Im weiteren Verlauf des Seminars standen die Vielfalt und die Kultur der Erbsen im Mittelpunkt. Eine kleine Ausstellung von Erbsensamen verdeutlichte dies eindrücklich: Erbsensamen können nicht nur grün oder gelb, sondern auch schwarz, rot oder bunt sein. Kugelrunde bis gedellte oder runzelige Samen weisen auf ihre Zugehörigkeit zu den verschiedenen Erbsenvarietäten hin also zu den Palerbsen oder den Markerbsen. Die Unterscheidung von Pal- und Markerbsen in der Nutzung war nicht  allen Teilnehmern  bekannt. So können nur die ausgereiften Samen der Palerbsen  für Suppe oder Püree genutzt werden, während Markerbsen nur für den Frischverzehr, zum Einkochen oder Tiefkühlen genutzt werden können, getrocknet werden sie beim Kochen nie weich.
Anbautipps und Informationen zu Erbsenschädlingen und Krankheiten ergänzten diesen Teil des Seminares. Alle Themen sind nochmals in einem Handout allen Teilnehmern an die Hand gegeben worden.

Arbeit der Patenschafts-AG

In der Abschlussrunde wurde nochmals die Arbeit der Patenschafts-AG dargestellt und über die Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Arbeitspensums und die Probleme in der Kommunikation innerhalb der AG sowie der Außenwahrnehmung ausführlich diskutiert.
In der Abschlussrunde wurde auch deutlich: die Teilnehmer, die am Anfang dachten, dass ist nicht das richtige Seminar für mich als Anfänger, lobten die entspannte Atmosphäre im Seminar und waren zufrieden über die Möglichkeit, immer wieder nachzufragen und so Vieles zu erfahren. Die Konzentration auf eine Kulturpflanze im Rahmen des Erhalterseminares wurde positiv bewertet. Für Einige ist ein neues Interesse am Anbau von Erbsen entstanden, denen die Vielfalt erst durch  dieses Seminar  deutlich geworden ist. Die gute Vorbereitung und Organisation des Seminares wurde gelobt. Das Schulbiologiezentrum als Tagungsort bot einen guten Rahmen für dieses Seminar.,  Die interessante Führung durch den Biologen des Zentrums, Jörg Ledderbogen bot Einblicke in die Vielfalt der Nutzpflanzen in diesem Botanischen Garten der besoderen Art. Absolutes  Highlight war die Präsentation eines neu angelegeten „Salzbeetes“ auf den Gelände des Zentrums. Hier werden Pflanzen gezeigt, die  von salzhaltigen Böden abstammen und durch hohe Salzgaben in der Kultur besondere Qualitäten hervorbringen, z.B. besser schmecken oder besonders knackige Blätter hervorbringen. Die Zahl der Salzbeete wird nun sicherlich bundesweit ansteigen.
Das Seminar bot, wie bereits vorangegangene Erhalterseminare, Gelegenheit, das Wissen aller Teilnehmer zusammenzutragen. Auch der Brückentag zwischen Himmelfahrt und dem Wochenende erwies sich als gute Wahl.

Unterstützung

Dieses Seminar wurde vom VEN und der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung gefördert und so ermöglicht. Dafür bedanken wir uns.

Hannover im Juni 2015
Kornelia Stock und Ursula Reinhard

Regionalgruppe: Hannover