Pastinake - Gemüse der Jahre 2011 / 2012

von Ursula Reinhard

VEN-Logo: Die PastinakeDie Pastinake (Flyer, pdf) (Pastinaca sativa var. hortensis Erhr.) steht stellvertretend für viele vergessene Kulturpflanzenarten und -sorten im Logo des VEN. Sie ist das Symbol für die zentrale Arbeit des Vereins: die Erhaltung und Nutzung alter samenfester Kulturpflanzen. Anlässlich des 25-jährigen  Vereinsjubiläums im Jahre 2011 wurde sie daher zum Gemüse der Jahre 2011 und 2012 gekürt.

Ursprung

Als Stammform der Gemüse- oder Saat-Pastinake gilt die in ganz Europa und Nordwest-Asien als Wildpflanze verbreitete Wiesenpastinake (Pastinaca sativa L.var. pratensis Pers.). Die Kulturform entstand durch gezielte Auslese auf Länge, Dicke und Unverzweigtheit der Wurzeln. Wann genau die Nutzung und damit die Auslese begann, ist nicht belegt.

Nutzung einst und jetzt

Seit dem 15. Jahrhundert werden Pastinaken in Deutschland angebaut, als Viehfutter auf Feldern oder als süß-aromatisches Wintergemüse in Gärten. Die alten Bezeichnungen Hammelmöhre und Hirschmöhre deuten auf ihren Futterwert hin, Moorwurzel auf ihre Anbaueignung auf moorigen Böden, in manchen Gegenden ist bis heute die Bezeichnung der Pastinak gebräulich. Andere volkstümliche Namen wie Welsche Petersilie, Wilder Dill und viele andere belegen die Verwechslungen mit anderen Arten, die die Literatur bis heute durchziehen.
Wegen ihres besonders nach Frosteinwirkung sehr hohen Zuckergehaltes und des außergewöhnlichen Aromas wurden früher sowohl die zerkleinerten Wurzeln als auch das Kochwasser vergoren genossen. In Irland braute man ein Bier daraus, in England trank man einen für seine besondere Würze beliebten Pastinakenwein, der geschmacklich dem Madeira ähnelt. Eingekocht zu einem dickflüssigen Sirup, nutzte man hierzulande Pastinaken zur Zubereitung eines Brotaufstriches und getrocknete, zu Mehl vermahlenen Wurzeln auch zum Backen von Brot und Kuchen.

Flyer Pastinake (pdf)Kartoffeln und Möhren verdrängten die Pastinake nach und nach in Deutschland, aber auch in zahlreichen anderen Ländern Europas. In England und Frankreich ist sie noch heute viel genutzt, ebenso in Kanada, den USA und Russland. Auch in den skandinavischen Ländern sowie in Ungarn und Holland werden Pastinaken zum Eigenverbrauch, zum Verkauf im eigenen Lande und zum Export großflächig kultiviert. Durch den Ökolandbau erfährt die Pastinake in Deutschland seit einigen Jahren eine Renaissance. Das Aroma und die Süße der Wurzeln machen sie attraktiv für kreative Köche. Sie finden Verwendung in Suppen, Eintöpfen, Aufläufen, Salaten sowie als Gemüse oder Dessert. Zur Würze können zusätzlich die Blätter wie auch die Samen genutzt werden.

Heilkundige Menschen empfahlen einst Teekuren gegen Magenbeschwerden, bei Blasen- und  Nierenleiden sowie bei Fieber und Schlaflosigkeit, zubereitet aus den Samen, den Blättern oder den getrockneten Wurzeln. Mit wenigen Reizstoffen ausgestattet, sind Pastinaken auch als Gemüse für Allergiker sehr zu empfehlen. Sogar für die Zubereitung von Babykost wurde das bei früher Ernte leicht verdauliche und noch verhalten süße Gemüse entdeckt. Getrocknete Ware findet vielerlei Verwendung, z.B. in Tütensuppen, als Diätikum oder als Trockenfutter für Nagetiere.

Botanik

Wie viele andere als Gemüse genutzte Doldenblütler (Apiaceae = Umbelliferae) blüht und fruchtet die Pastinake im zweiten Jahr. Die Blüten sind wie bei Dill und Fenchel leuchtend gelb gefärbt. Die rübenartig verdickten Pfahlwurzeln der Kultursorten sind weiß bis cremefarben und reichen mit ihren dünnen Wurzelspitzen tief in den Boden. Die Rüben tragen grob gefiederte, oben glänzende, unterseits behaarte Blätter, die im ersten Jahr eine Rosette ausbilden. Aus ihrer Mitte erheben sich ab Juni/Juli des Folgejahres verzweigte,  bis zu 1,5 m hohe Blütentriebe, die zahlreiche Insekten anlocken.  Nach erfolgreicher Bestäubung tragen die Fruchttriebe ab August die für viele Doldenblütler typischen Doppelachänen, schmal geflügelte, braune, platt gedrückte und  mittig gefurchte Samen, die von Ölkanälen durchzogen sind.

Sorteneigenschaften

Das moderne europäische Pastinakensortiment ist recht einheitlich in der Form, meist spitzkegelig. Je nach Alter der Pflanzen können die Rüben nur 25 cm messen oder bis fast 1m lang werden. In Deutschland wurde 2010 die Standardsorte ’Halblange Weiße’ durch die auf feineren Geschmack und für den Frischverzehr gezüchtete Sorte ’Aromata’ ergänzt. Früher gab es auch Sorten mit stumpfkegeligen bis rundlichen Rübenkörpern für schwere Böden und schlanke, sehr lange Pastinaken für leichtere Böden. Unterschiede zeigten sich auch in Form und Masse der Blätter. In England, Frankreich und Holland werden heute zahlreiche Hybridsorten angeboten. Das englische und französische Saatgutangebot enthält jedoch auch noch die alten, verschieden geformten und beige oder gelblich gefärbten Sorten. Moderne Zuchtziele sind neben dem Ertrag die marktfähige, einheitliche Form und vor allem die Weißfleischigkeit der Wurzeln. Krankheitsresistenzen spielen bei diesem robusten Gemüse eine untergeordnete Rolle.

Von der Aussaat bis zur Ernte

Pastinaken gedeihen bestens im feuchten und eher kühlen Klima. Sie bevorzugen humose, lockere, nährstoffreiche Lehmböden. Auch Moorböden sind zum Anbau geeignet.  Man verwendet nur frisches Saatgut und sät 1 cm tief mit einem Reihenabstand von 30-40 cm. Aussaaten sind von März bis Anfang Juni möglich. Die Samen keimen nach drei bis vier Wochen. Das Saatbeet sollte mäßig feucht gehalten werden. Im Jugendstadium wachsen Pastinaken sehr langsam und müssen daher regelmäßig von aufkeimenden Beikräutern befreit werden. Haben sich 2-4 Folgeblätter entwickelt, muss auf mindestens 10 cm Abstand in der Reihe vereinzelt werden.

Im März gesäte Pastinaken können frühestens ab Juli geerntet werden. Wer im Sommer anderen Gemüsen den Vorzug gibt, sät eine kleine Menge aus und lässt die frostharten Pflanzen bis über den Winter auf dem Beet stehen und kann die dann sehr stattlichen Wurzeln nach Bedarf einzeln ernten und eine jede als Gericht für die ganze Familie servieren. Der Geschmack ist in diesem Fall eher mild. Eine möglichst kurze Lagerung außerhalb des Bodens ist auch für andere Doldenblütengewächse wie z.B. Möhre, Sellerie oder Wurzelpetersilie empfehlenswert. Wer ein kräftiges Aroma vorzieht, gräbt die Wurzeln aus, wenn der Boden noch nicht oder nicht mehr gefroren ist und schlägt sie in mäßig feuchten Sand ein. Dort lassen sie sich mehrere Monate, mitunter bis zum Frühjahr aufbewahren. Im Kühlschrank und an kühlen Orten können sie höchstens 1-2 Wochen aufbewahrt werden, danach beginnen sie einzutrocknen.

Pastinaken sollten nicht in Nachbarschaft oder Fruchtfolge anderer Doldenblütler angebaut werden. Um Krankheiten und Schädlingsbefall vorzubeugen, empfiehlt sich eine Anbaupause von vier Jahren.
Achtung: Bei Berührung können Pastinakenblätter und frische Samen in Verbindung mit Sonnenlicht Verbrennungen bei empfindlichen Personen hervorrufen.

Saatgutgewinnung

Ausgelesen wird auf die Größe und die im Sortenbild festgelegte Wurzelform, Farbe und Festigkeit des Fleisches. Pastinaken sind Fremdbefruchter, die von vielen Insekten bestäubt werden, darunter Bienen, Fliegen, Käfer, Wespen. Empfohlen wird daher oft, mindestens 10 -20 Pflanzen isoliert abblühen zu lassen. Doch auch wenn es nur 5-6 sind, wird man reichlich frisch geerntetes Saatgut an Nachbarn, Bekannte und Freunde weitergeben können. Ab Juni/Juli des zweiten Anbaujahres beginnen die Pastinaken zu blühen und ihre Blütenstängel müssen gestützt werden. Die Abreife der Samen beginnt im September. Die einzelnen Dolden reifen nach und nach. Da das Saatgut leicht ausfällt sind Teilernten erforderlich, wobei die erste Dolde am Haupttrieb die wertvollste Saat liefert. Gut nachgetrocknet werden die Samen für die Aussaat im nächsten und übernächsten Jahr trocken, kühl, dunkel und mit Sortennamen und Erntejahr beschriftet aufbewahrt. Bereits im zweiten Jahr verlieren sie an Keimkraft und müssen dichter gesät oder auf ihre Keimrate überprüft werden. 

Rezepte

Kerstin und Niels Gründel schufen das Pastinaken-Kochbuch und stellen es online zur Verfügung.

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