Fachgruppe und Erhalterringe "Zwiebeln"

Vorstellung der Gruppe und bisherige Arbeitsergebnisse

Anfang 2022 wurde nun auch eine Fachgruppe "Zwiebeln" (Küchen- oder Speisezwiebel, Allium cepa L. var. cepa) gegründet, die bisher sieben aktive Mitglieder hat.

Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die genetische Vielfalt der Küchenzwiebel zu erhalten, sondern auch dafür zu sorgen, dass zukünftig überhaupt noch Zwiebelsaatgut zur Verfügung steht, das jede:r selbst vermehren kann; denn bei der Zwiebel besteht die Gefahr, so wie auch bei anderen Kulturpflanzenarten, deren Sproßteile genutzt werden (z. B. bei Möhren, Kohl, Rote Bete und Radieschen), dass diese bald nur noch von professionellen Züchtern vermehrt werden können.

Weitere „Fachleute“ sowie Vermehrer:innen werden gern gesehen ... bitte unter fachgruppen(at)nutzpflanzenvielfalt.de melden!

Zwiebeln im Winterlager

Ein Gen-Defekt verhindert die Vermehrung

Von der Küchenzwiebel werden heute verbreitet F1-Hybrid-Zwiebeln angebaut. Alle F1-Zwiebeln besitzen jedoch einen Gen-Defekt, die Cytoplasmatische männliche Sterilität (CMS), die für eine effektive Saatguterzeugung in gewerblichem Maßstab notwendig ist.

Im Fall der Zwiebel muss die CMS von den Züchtern auch nicht wieder unterdrückt bzw. aufgehoben werden, wie das bei Kulturpflanzen unabdingbar ist, die Früchte bzw. Samen bilden müssen.

Die Pollen (die männlichen Geschlechtszellen) von F1-Zwiebeln sind aufgrund der CMS steril und können Blüten anderer Zwiebelpflanzen nicht mehr befruchten; folglich können F1-Hybrid-Zwiebeln allein keine fruchtbaren Samen bilden und lassen sich somit im Privatgarten nicht mehr vermehren.

Dieser drohenden Gefahr möchte die Fachgruppe „Zwiebel“ entgegenwirken, indem sie eine Anzahl von früher in Deutschland bekannten, vermehrungsfähigen Zwiebelsorten sammelt, bearbeitet, vermehrt und diese Sorten erhält, damit auch in Zukunft jede:r Zwiebelsaatgut gewinnen kann; denn nur durch die Vermehrung der Zwiebel ist ihre genetische Vielfalt auf Dauer gesichert.

Sichtung von Zwiebelsorten

Da heute vom Samenhandel, der die gewerblichen Erzeuger:innen beliefert (das Saatgut für Hobby-Gärtner:innen ist zu großen Teilen mit diesem identisch), kaum noch Saatgut von vermehrungsfähigen Speisezwiebeln angeboten wird, haben wir uns zuerst einmal durch eine Suche in historischen Sortenbeschreibungen einen Überblick verschafft, welche Zwiebelsorten in den hundert Jahren von 1850 bis 1950 überhaupt in Deutschland angeboten wurden, und von welchen Sorten noch Saatgut in der deutschen Genbank Gatersleben oder aus anderen Quellen erhältlich ist.

In den Saatgut-Katalogen der Züchter aus jener Zeit wurden nur zum Teil deutsche Sorten aufgeführt; ein anderer Teil waren Zwiebeln aus anderen Ländern, die für den heimischen Markt angepasst und dann hier unter dem ursprünglichen (oder ähnlich klingenden) Namen verkauft wurden.

An "deutsch-stämmigen" Zwiebeln haben wir folgende Sorten ermitteln können (wir haben uns dabei auf Sorten konzentriert, von denen noch Saatgut erhältlich ist):

  • Stuttgarter Riesen,
  • Braunschweiger Rote,
  • Bamberger Birnförmige (u. a. Haussorte Meyer),
  • Zittauer Gelbe
  • Calbenser Gerlinde,
  • Dresdner Plattrunde und
  • die Höri-Bülle.

An "ausländischen" Sorten, die früher hierzulande ebenfalls angebaut wurden, haben wir bisher gefunden:

  • Southport White Globe,
  • Red Wethersfield,
  • Holländische Blutrote und
  • Rosa Mährische (Morawanka)

 

Anleitungen für den Zwiebelanbau und die -vermehrung

Die Fachgruppe plant, Anleitungen für den Zwiebelanbau sowie für die Zwiebelvermehrung zu erstellen. Diese Anleitungen sollen so verfasst sein, dass sie sowohl bei der Sortenerhaltung helfen als auch für alle nützlich sind, die einfach nur Zwiebeln anbauen und selbst vermehren wollen.

An dieser Stelle sei betont, dass Zwiebelanbau und -vermehrung keine Hexerei sind, auch wenn letztere zwei oder gar drei Jahre benötigt.

Testanbau und Klärung der Sortenmerkmale

Nachdem wir im Frühjahr 2022 Saatgutproben von zahlreichen Sorten - vor allem aus der deutschen Genbank in Gatersleben - erhalten hatten, haben wir diese Sorten angebaut.

Aufgrund des trockenen Sommers sind nicht alle Zwiebeln ohne Bewässerung zu voller Größe ausgewachsen; deshalb zieht sich dieser "Voranbau" noch ins nächste Jahr, indem wir die zu klein gebliebenen Zwiebeln als Steckzwiebeln verwenden.

Trotzdem haben wir im November ein Treffen organisiert, um erste Ergebnisse auszutauschen und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Wir haben uns dabei probehalber mit den Sortenmerkmalen beschäftigt und uns einen groben Überblick über diese verschafft.

Wie viele Merkmale der professionellen UPOV-Liste wir für eine Sortenbeschreibung verwenden wollen, soll in weiteren Treffen diskutiert und festgelegt werden. Es gilt, einen gangbaren Weg zwischen einer sehr exakten, aber äußerst arbeitsaufwändigen Beschreibung und einem einigermaßen gut dokumentierten Sortenbild zu finden.

Außerdem gilt es Sorten zu wählen, die ein gewisses Spektrum an Farben (gelb, rot, weiß, rosa) und Formen (länglich, rund, abgeflacht) abdeckt, um ein ansprechendes "Angebot" zur Verfügung stellen zu können.

Vermehrung ausgewählter Sorten und Auswahl der Samenzwiebeln

Für die kommenden zwei bis drei Jahre haben wir uns vorgenommen, einige Sorten so weit zu vermehren, dass wir mindestens 500 Samenzwiebeln von jeder Sorte zur Verfügung haben, aus denen die Fachgruppe letztlich 150 Zwiebeln auswählt, die den sortentypischen Merkmalen am besten entsprechen.

Nur diese 150 Samenzwiebeln werden überwintert, so dass im folgenden Jahr mindestens 100 Saatgutträger aufwachsen können.

100 Exemplare halten wir für das Minimum, um alle genetischen Eigenschaften einer samenfesten Sorte, die "fremd" (d. h., von einer anderen Pflanze derselben Art) befruchtet werden muss, in einer gewissen Variationsbreite im Genpool der Sorte zu erhalten; ansonsten können bei der Zwiebel Inzucht-Probleme auftreten.

Der Anbau der 500 Zwiebeln soll dabei auf die Gärten von mehreren Teilnehmer:innen aufgeteilt werden, die Samengewinnung vorläufig jedoch nur in einem Garten stattfinden.

Eine solche "Vermehrungsgruppe" wird von uns als "Erhalter:innen-Ring" bezeichnet  und soll bis zu zehn Personen umfassen.

Der Aufbau dieser Struktur für die Zwiebelsorten-Erhaltung wird uns sicher noch bis zu fünf Jahre beschäftigen.

In dieser Zeit wollen wir weitere Mitstreiter:innen gewinnen, die ebenfalls Interesse an der Vermehrung von Zwiebeln haben. Je mehr Menschen teilnehmen, desto mehr Sorten können wir vermehren und sortenecht erhalten, desto mehr Erhalter:innen-Ringe können wir gründen und somit das Risiko von "Sorten-Totalverlusten" verringern.

Zukunftsmusik

Die Fachgruppe wird diesen (zwei- bzw. drei-jährigen) Zyklus aus Vermehrung, Auswahl der Samenzwiebeln und anschließender Saatgutgewinnung koordinieren und die notwendigen Arbeitsschritte auf möglichst viele Schultern eines Erhalter:innen-Ringes verteilen; sie wird allen Beteiligten mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Weitere „Fachleute“ sowie Vermehrer:innen werden gern gesehen ... bitte unter fachgruppen(at)nutzpflanzenvielfalt.de melden!

Nachdem eine gewisse Menge an Saatgut einer Sorte vorhanden ist und die bestehenden Ringe versorgt sind, können alle Ring-Mitglieder überschüssiges Saatgut in eigener Verantwortung über die Saatgut-Liste des VEN weitergeben.

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